In diesem Abschnitt wird der Cyclops-Ansatz eingeführt und einen Überblick auf das Cyclops-Modell und die Systemarchitektur des Cyclops-Systems gegeben.


2.4.1 Abstrakte Ebene: der Konfigurationsansatz

Wir führen jetzt den Konfigurationsansatz ein, der als Realisierung der abstrakten Ebene des allgemeinen Bilddeutungsmodells durch ein Konfigurationssystem zu verstehen ist. Die funktionale Ebene wird in diesem Ansatz durch die Modellierung der Bilddeutungsmethoden und des notwendigen Wissens zur Ausführung dieser Methoden in der Begriffshierarchie dieses Konfigurierers dargestellt. Kurzgefaßt, ist der Konfigurationsansatz:

die Modellierung einer Bilddeutungsaufgabe (s. Begriffsbestimmung XII :) als ein Bilddeutungsproblem.

die Definition eines Bilddeutungsproblems als ein erweitertes Constraint Satisfaction Problem (CSP), in Anlehnung an [Günter91] [GüCu93],

die taxonomische Formalisierung der Bilddeutungsverfahren als die Begriffshierarchie eines Konfigurierers,

die Definition eines Planes bzw. einer Konfiguration als eine Teilordnung über die technischen Realisierungen der Bilddeutungsoperatoren (Klassen) in der statischen Wissensbasis

und die Verwendung einer JTMS-basierten, durch die REDUX-Ontologie erweiterten Konfigurierer/Planer-Architektur.

Definition VIII: Ein Bilddeutungsproblem ist eine Erweiterung eines CSP und ist durch ein Tupel <{V},G,O,C,D,A,S,B,H> gegeben. Hierbei ist:

Zusätzlich führen wir in der Bezeichnung von bzw. Darstellung des Wissens folgende Trennung ein:

Zunächst noch einige Festlegungen zur Klarheit der Begriffe:

Im Fall der Bilddeutung ist das technische Wissen, Wissen über die einzelnen Bilddeutungsverfahren, das Setzen deren Parametern und deren gegenseitigen Abhängigkeiten.

Im Fall der Beispielanwendung Magnetresonanz-Tomographieanalyse, besteht das Domänenwissen aus medizinischen Kenntnissen. Diese Unterscheidung zwischen diesen beiden Wissensarten wird dadurch notwendig, da typischerweise (vgl. [[Günter91]]) unter dem Begriff Domänenwissen, Wissen über die Konstruktionsobjekte aus der statischen Wissensbasis verstanden wird.

2.4.1.1 Ein erstes Systemmodell für den Konfigurationsansatz

Die Konfigurationskomponente bildet den Kern des Gesamtsystemmodells und basiert auf einen Ziele/Operatoren-Modell. Sie stellt einen Bildverarbeitungsablauf zusammen und koordiniert dessen Ausführung indem Teilkonfigurationen als "Programme" zur Ausführung übergeben werden. Den Hintergrund zum Konfigurierer bildet ein REDUX-JTMS [Petrie91a] [Petrie91b] [Petrie91c], das es erlaubt Zwischenergebnisse und deren Zusammenhänge bzw. "Begründungen" für die spätere Weiterverwendung aufzubewahren. Dies erweist sich als besonders nützlich, wenn unter verschiedenen "fehlgeschlagenen" Segmentierungen eines Bildes die "beste" für eine Weiterverarbeitung ausgewählt werden muß. In Abbildung 2.6 wird eine einfache Vorstellung von dem möglichen Aufbau des Systemmodells gegeben, die Blackbox "Ideales Bilddeutungssystem" aus Abbildung 2.5 durch den bisher vorgestellten Konfigurationsansatz ersetzt würde. Im Folgenden wird dieses Systemmodell beschrieben und anschließend anhand der in Abschnitt 2.2 "Anforderungen an wissensbasierte Bilddeutungssysteme" dargestellten Anforderungen analysiert.

ABB.2.6. Einfache Vorstellung eines konfigurationsbasierten
Bilddeutungssystemmodells

Die Inferenzmaschine oder Konfigurierer besteht aus:

Die Informationen, die die Anwendung über das Bild und über die Aufgabe, die sie zu erfüllen hat, liefert, gelten als zu optimierende globale Parameter für die Konfiguration eines Ablaufes. Diese Konfiguration ist dynamisch und kann aufgrund von Zwischenergebnissen, durch REDUX gesteuert, neu gestaltet werden.

Wichtig ist, daß hier nicht notwendigerweise Bilddeutung die Aufgabe sein muß. Eine andere Anwendung mit ähnlicher Funktionalität: die Aufgabe der analytischen Untersuchung wahrnehmungsartiger Information, zusammen mit der synthetischen Aufgabe der Konstruktion eines Planes für die Durchführung der Wahrnehmung, könnte hier durchaus ebenfalls vorstellbar sein. Beispiele könnten die Spracherkennung oder die Kontrolle von chemischen Prozessen sein.

2.4.2 Das Cyclops-Modell

Die Verwendung eines auf dem Ziele-Operatoren-Modell und TMS basierenden Konfigurationsansatzes zeigt sich als am besten geeignet für die Lösung des Problems der wissenbasierten Bilddeutung, aus folgenden Gründen:

Anf. i verlangt, daß ein Bilddeutungssystem den Prozeß der Bilddeutung an die Untersuchungsziele anpassen können muß. Ein Konfigurationssystem, das auf ein Ziele-Operatoren-Modell [Günter91] basiert kann diese Ziele als globale Konfigurationsparameter betrachten und darauf basierend Unterziele für bestimmte Bilddeutungsschritte generieren.

Anf. ii wird durch die Modellierung der Bilddeutungsmethoden als Bilddeutungsoperatoren in der statischen Wissensbasis eines Konfigurationssystems erfüllt. In diesem Ansatz wird von den einzelnen Bildverarbeitungsverfahren abstrahiert und der Ablauf eines Bildverarbeitungsprozesses durch eine Modellierung der einzelnen Verfahren als Bildoperatoren beschrieben. Die Trennung zwischen "Technische Realisierungen" und "Funktionen" in Konfigurationssystemen wie IDAX [PauRit93], erlaubt es, konkrete Bilddeutungsmethoden in einer Taxonomie von technischen Realisierungen zu modellieren und die abstrakten Bilddeutungsschritte bzw. Zusammensetzungen von Schritten als zu konfigurierende Funktionen.

Anf. iii wird durch die Repräsentation der Bildbegleitinformation und eventuell auch Zwischenergebnisse als zusätzliche globale Konfigurationsparameter erfüllt.

Anf. iv wird durch die Möglichkeit erfüllt, spezifische Parameter von Bilddeutungsoperatoren mit Bildbegleitparameter durch lokale Konfigurationsattribute in einem Constraint-Netz in Zusammenhang zu setzen, so daß ein Bildverarbeitungsprozeß, der an das zu verarbeitende Bild angepaßt ist, für jedes der Bilder automatisch zusammengestellt wird.

Anf. v wird durch die Möglichkeit erfüllt, die Kompetenz der einzelnen Bilddeutungsmethoden für Bilddeutungsmethoden und allgemeine Zielsetzungen in der statischen Wissensbasis zu modellieren. Anschließend kann diese Modellierung von dem Konfigurationssystem in einer Form von intentionalen Constraints [Paulo90] verwendet werden, die die zulässigen Konfigurationsoperatoren aus einer Konfliktmenge nach Zuverlässigkeit oder Optimalität ordnen ( s.Abbildung 2.7.).

ABB.2.7. Intentionale Constraints erlauben es, eine optimale 
Teilordnung über die anwendbaren Operatoren in der 
Konfliktmenge zu bilden 

Anf. vi kann ähnlich wie Anf. v durch intentionale Constraints erfüllt werden. Siehe ebenfalls Abbildung 2.7.

Anf. x wird durch die Verwendung eines (Justification-)TMS zum Teil erfüllt. Wird ein JTMS verwendet, so können in einem Begründungsnetzwerk Zwischenergebnisse an die jeweiligen Entscheidungen gebunden werden, die diese Zwischenergebnisse verursacht haben. Wird eine verworfene Entscheidung wieder gültig, werden aufgrund der Propagierung dieser Veränderung im TMS deren Ergebnisse auch wieder gültig. Eine Entscheidung könnte wieder gültig werden, wenn alle alternativen Entscheidungen sich als noch schlechter erweisen.

Anf. xi wird durch die Verwendung einer Modellierung der einzelnen Bilddeutungsmethoden in einer statischen Wissensbasis erfüllt.

Die Auswahl sowie Koordination der Verarbeitungsverfahren kann auf dieser abstrakten Bildoperatorenmodellierung basierend, durch KI Techniken der Konfiguration gestaltet werden. Diese Zusammenstellung erfolgt dadurch, daß ein Konfigurationssystem für jedes Bild die einzelnen Verarbeitungsschritte festlegt.

Diese Lösung erfüllt aber nicht vollständig alle Anforderungen. Anf. vii, Anf. viii, Anf. ix und Anf. xii, sowie ein Teil von Anf. x bleiben unerfüllt. Folgende Aspekte bleiben offen:

Die Verwendung eines TMS bedeutet, daß ein mächtiger Verwaltungs- und Revisionsmechanismus für die Abhängigkeiten zwischen Entscheidungen, Bilddeutungsoperatoren, Parametern und Ergebnissen durch dieses TMS gegeben ist. Die Erstellung eines Testverfahrens für die Überprüfung der einzelnen Ergebnisse, ein Ergebnis- und Erwartungsauswertungssystem bleibt jedoch ungelöst .

iv. Die Anforderung einer Umgebung zur Unterstützung der Weiterentwicklung eines solchen Bilddeutungssystems (Anf. xii) wird zwar nicht durch dieses Konfigurationsmodell unterstützt, erscheint zunächst vielmehr einer Frage der Entwicklung von geeigneten Softwarewerkzeugen zu sein und wird zunächst auch so behandelt und als nicht zu dem Umfang dieser Arbeit gehörend betrachtet.

Für die vollständige Erfüllung der Anforderungen, die mit den oben genannten offenen Aspekte verbunden sind, ist eine Erweiterung des Modells eines Konfigurationssystems notwendig.

2.4.2.1 Erweiterungen des Konfigurationsansatzes

Grundsätzlich unterscheidet sich die Konfiguration in der Domäne der Bildauswertung von der "normalen" Konfiguration dadurch, daß die Konfigurationsobjekte ihren statischen Charakter verlieren. Es wird nicht mehr ein statisches Gebilde wie ein Teil oder eine Maschine konfiguriert, sondern ein Prozeß.

Die notwendigen Erweiterungen, um die in i bis iv auf Seite 59 beschriebenen offenen Fragestellungen zu lösen, werden hier behandelt.

2.4.2.1.1 Ausführung von Bilddeutungsoperatoren

Um das in Punkt i auf Seite 59 dargestellte Problem zu lösen und Anf. vii zu erfüllen, ist es notwendig, die Konfigurationen bzw. Teilkonfigurationen (Siehe "Plan" in Abbildung 2.6) bestehend aus Bilddeutungsverfahren und Datenflußabhängigkeiten in die tatsächliche Ausführung dieser zu übersetzen und dafür zu sorgen, daß die Datenabhängigkeiten erhalten bleiben und die Zwischenergebnisse an das TMS zurückgegeben werden. Da es sich nicht um statische Konstruktionsobjekte handelt, sondern um Prozesse, müssen Kontrollstrategien entwickelt werden, die den Ablauf der einzelnen Bilddeutungsetappen koordinieren. Um dies zu gewährleisten muß der Konfigurierer:

Die Bestimmung des Zeitpunkts der Ausführung kann durch eine Erweiterung des Ziele-Operatoren-Modells gewährleistet werden. Die Reduzierung eines Konfigurationsziels mittels eines neuen Konfigurationsoperators, des ExecutionOperators, bestimmt die Ausführung der bis dahin noch nicht ausgeführten Bilddeutungsoperatoren. Das mit diesem Operator verbundene Konfigurationsziel wird jedesmal bearbeitet, wenn eine Konfiguration entweder vollständig ist oder nicht ohne konkrete Zwischenergebnisse weiterverarbeitet werden kann.

Die Komponente zur Ausführung einer Konfiguration kann als ein Datenflußrechner modelliert werden. Durch den Konfigurierer aufgefordert, kann diese virtuelle Maschine dann die einzelnen Bilddeutungsoperatoren in Befehle übersetzen und deren Ausführung als Unterprozesse kontrollieren, indem Datenabhängigkeiten berücksichtigt und verwaltet werden. Der hier verwendete Begriff der Ablaufkontrolle soll nicht mit dem in [Günter91] [GüCu93] verwendeten Begriff der Ablaufsteuerung verwechselt werden. Ablaufkontrolle bedeutet hier Kontrolle und Überwachung der Prozesse, die Gegenstand des Konstruktionsvorganges waren, bzw. die die Technischen Realisierungen in der generierten Konfiguration darstellen.

2.4.2.1.2 Darstellung und Verwendung von Domänenwissen

Anf. viii wird durch die Bereitstellung einer Komponente zur Modellierung von Domänenwissen und einer Schnittstelle zwischen dieser und dem Konfigurierer. Dieses Modul erlaubt es, Domänenwissen in der Form von evidenzbasierten neuronalen semantischen Netzwerken [Shast88] zu repräsentieren. Diese Form der Wissensrepräsentation wurde als die geeignetste gesehen, um semantische Erwartungen bezüglich des Inhalts von zu untersuchenden Bildern zu generieren, da dieses Modell erlaubt:

i. evidenzbasierte und gleichzeitig als semantische Netze strukturierte Aussagen über den möglichen Inhalt des Bildes zu generieren und

ii. eine elegante Modellierung der Konzepte in der Wissensbasis durchzuführen, die als eine Taxonomie von mit Attributen versehenen Objekten oder als Aggregate strukturierte Objekte dargestellt werden.

ABB.2.8. Beispiel für eine einfache Domänenwissensbasis (kleiner Ausschnitt
aus der has-parts-Struktur der Hirnanatomie) und zwei, evidenzabhängige
Erwartungsstrukturen (vereinfacht dargestellt). Die Wurzel der
Erwartungsstruktur bildet hier den Gesamtinhalt des Originalbildes. Wichtig
ist hier zu beobachten, daß unterschiedliche Evidenz (Symptome) zu
unterschiedlichen Erwartungsstrukturen und auch unterschiedlichen regions of
interest geführt hat.

Die bereitgestellte Schnittstelle erlaubt es auch, fremde Wissensbasen zu verwenden. Die Struktur, der durch diese Wissensbasen generierten Erwartungen muß kompatibel mit der Form der späteren Überprüfung der Bilddeutungsergebnissen sein, da der Konfigurierer Domänenwissen nur verwaltet und weiterleitet, aber nicht selbst modifiziert. Gerade diese Eigenschaft verleiht dem Modell die Domänenunabhängigkeit. Wie das Domänenwissen in diesem Modell in der Bilddeutung verwendet werden kann, wird in den nächsten Abschnitten erläutert.

Anf. ix wird durch eine weitere Erweiterung im Ziele-Operatoren-Modell erfüllt: die Betrachtung einer Anfrage an die Domänenwissensbasis als ein Konfigurationsziel.

Wenn ein neues, abstraktes Konfigurationsziel in Unterziele zerlegt wird, soll zusätzlich, und in Abhängigkeit von der Modellierung des abstrakten Konfigurationsobjektes, das mit dem Ziel verbunden ist, eine Anfrage an die Domänenwissensbasis als Unterziel generiert werden können. Das Ergebnis der Reduzierung dieses Ziels kann in der Bilddeutung weiterverwendet werden:

So können bestimmte Attribute der in der Erwartungsstruktur beschriebenen Objekte als Constraintwerte zur Bestimmung eines Segmentierungsalgorithmus verwendet werden.

2.4.2.1.3 Erweiterungen des Revisionsmechanismus

Die Durchführung einer Aktion B, die von den Resultaten einer anderen Aktion A abhängig ist, setzt voraus, daß die vorgesehenen Resultate von A auch erreicht wurden. Man spricht von Erwartungen oder Expectations über die Ergebnisse der Durchführung von A.

Der Begriff Expectation kommt aus dem Gebiet der Planung. In dem normalen Anwendungsbereich der Konfiguration sind Erwartungen nicht nötig. Soll ein statisches Objekt wie, z.B. eine Maschine konfiguriert werden, so ist es klar, daß die Durchführung von Konfigurationsschritten strikt deterministisch ist, d.h., wurde gegebenfalls kein Constraint durch die Anwendung eines Operators verletzt, so entsprechen die Resultate genau den erwarten. In der klassischen Konfiguration wird mit konkreten, nicht mit hypothetischen Resultaten gearbeitet.

In der Bilddeutung, wo es sich um ein dynamisches Anwendungsgebiet handelt, in dem mit Ungewißheiten und mit für optimal geschätzten Parametern gearbeitet wird, sind Aspekte, die zur Ungültigkeit verschiedener schon durchgeführter Schritte einer Konfiguration führen, durchaus möglich. Beispielsweise kann die Fehlschätzung des Kontrastwertes eines Bildes, zur Anwendung eines falschen Segmentierungsalgorithmus bzw. einer falschen Parametersetzung führen. So ein Fehler könnte dann nur erst sehr viel später im Bildauswertungsprozeß erkannt werden, z.B. weil keine zufriedenstellende Objekterkennung im Bild möglich ist. Das größte Problem ist hier, daß nicht alleine die Erzeugung eines Plans durch die Konfiguration einer Bilddeutungsstrategie als Erfolgsvoraussetzung ausreichend ist. Dies bedeutet, daß die Möglichkeit der Auswertung der Güte von dem Ergebnis eines Verfahrens (einer Bildoperation) gegeben werden muß, z.B., ob eine Segmentierung erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Dies erfordert, im Gegensatz zur Konfiguration von Produkten bzw. statischen Objekten, die Notwendigkeit:

Die Möglichkeit zur Entdeckung der Inkonsistenz kann erst nach vielen weiteren Schritten gegeben sein, z.B. wenn es nicht möglich war, eine konsistente Objekterkennung in einem segmentierten Bild durchzuführen. Dies setzt voraus, daß das System imstande ist, Erwartungen generieren und verwalten, bzgl. einer im Kontext akzeptablen Objekterkennung, die mit den Ergebnissen der durchgeführten Aktionen verglichen werden kann. Ist der Verursacher bzw. die Fehlschätzung bekannt, so soll ab diesem Punkt eine neue Konfiguration durchgeführt werden.

Damit Anf. x erfüllt ist, müssen die Ergebnisse ausgeführter Konfigurationen auf Konsistenz überprüft werden können und, falls notwendig, müssen die für Fehler schuldigen Bilddeutungsoperationen zurückgesetzt werden. Dafür ist es notwendig:

Eine Erwartungsüberprüfung findet immer dann statt, wenn eine (Teil) Konfiguration ausgeführt wurde und für diese Erwartungen generiert wurden. Dies wird durch die Existenz eines unreduzierten Erwartungsauswertungsziels, dem ExpectationGoal, dargestellt.

Ein Erwartungsauswertungsmodul muß in der Lage sein:

Diese sind domänenunabhängige Bedingungen. Die Realisierung spezifischer Überprüfungsmechanismen, die Erwartungen auswerten, ist jedoch domänenabhängig. Daß das Erwartungsauswertungsmodul domänenabhängig ist, kann nicht umgangen werden, da eine Aussage, wie sinnvoll bestimmte Ergebnisse sind, nur unter Berücksichtigung des Domänenkontextes gegeben werden kann. Zusätzlich muß die Erwartungsauswertung eine Bildbeschreibung aus der Domänenwissensbasis interpretieren können, bzw. auf sehr spezifische Charakteristika dieser Bilder angepaßt sein. Die Struktur dieses Modells erlaubt es aber, von der Erwartungsauswertung zu abstrahieren, und sie nur als ein Konfigurationsoperator zu sehen. So kann ein Bilddeutungssystem auch ein Pool von verschiedenen Erwartungsauswertungsmodulen besitzen, die für die jeweilige Bilddeutungsaufgabe verwendet werden.

2.4.2.1.4 Erweiterungen der Inferenzmaschine des Konfigurierers

Diese Erweiterungen wurden implizit in den obigen Abschnitten beschrieben und werden in diesem Abschnitt kurz zusammengefaßt. Eine abstrakte Bilddeutungsmaschine AK ist eine Erweiterung eines Konfigurationsmodells und implementiert einen Lösungsmechanismus für eine Klasse K von Bilddeutungsproblemen. Alle formalen Sprachen sind Fragmente oder Erweiterungen der Prädikatenlogik.

Die Basissemantiken der Konfigurationsoperatoren (spezialisieren, zerlegen und parametrieren [Günter91]) wurden in Cyclops um die Semantiken "Anfrage an die Domänenwissensbasis stellen", "Erwartungsstruktur bezüglich des Bilddeutungsergebnisses generieren", "Teilkonfiguration ausführen" und "Erwartung auswerten" erweitert. Dies erlaubt eine bilddomänenunabhängige Beschreibung eines Bilddeutungsverlaufs. Die Struktur des TMS wurde erweitert, um diese neuen Semantiken explizit darstellen zu können. Diese Erweiterungen werden in den entsprechenden Kapiteln: "Inferenzmaschine I: Der Konfigurierer” auf Seite 131 und "Inferenzmaschine II: Das TMS” auf Seite 196 des Cyclops-Buches behandelt.

2.4.3 Das Cyclops-System

Die soeben als "Einfache Vorstellung eines konfigurationsbasierten Bilddeutungssystemmodells" in ABB.2.6. betrachtete wissensbasierte Komponente läßt sich anhand der Erweiterungen, die im vorigen Abschnitt eingeführt worden sind, als eine Systemarchitektur darstellen, die aus verschiedenen Komponenten bzw. Modulen besteht.

ABB.2.9. Blockdiagramm des Cyclops-Systems

Die Systemarchitektur besteht aus folgenden Komponenten:

Verglichen mit dem Modell der abstrakten Bilddeutungsmaschine A = < M , C ,W ,I , T , V, E> können folgende Parallele gezogen werden:

Wie im Abschnitt 1.3.1 erwähnt wurde, wird jeder dieser Komponenten ein Kapitel in dieser Arbeit gewidmet. Die wichtigsten Komponenten werden durch eine Kurzbeschreibung jetzt kurz eingeführt. Theoretische und technische Aspekte der jeweiligen Komponente werden dann im entsprechenden Kapitel behandelt.

Die Konfigurationskomponente bildet den Kern des Gesamtsystems und basiert auf einen Ziele/Operatoren-Modell. Sie stellt einen Bildverarbeitungsablauf zusammen und koordiniert dessen Ausführung indem Teilkonfigurationen als "Programme" zum Ablaufkontrollsystem übergeben werden. Den Hintergrund zum Konfigurierer bildet ein REDUX-JTMS [Doyle79] [Petrie91a] [PauRit93], das es erlaubt Zwischenergebnisse und deren Zusammenhänge bzw. "Begründungen" für die spätere Weiterverwendung aufzubewahren. Dies erweist sich als besonders nützlich, wenn beispielsweise unter verschiedenen "fehlgeschlagenen" Segmentierungen eines Bildes die "beste" für eine Weiterverarbeitung ausgewählt werden muß.

Die Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten des Cyclops-Systems erfolgt mittels Anforderungen. Diese sind Botschaften, die zwischen den Komponenten ausgetauscht werden und eine einheitliche Schnittstelle zwischen den Komponenten bilden.

2.4.3.1 Inferenzmaschine: Der Konfigurierer

Als Basis für die Entwicklung der Konfigurationskomponente in Cyclops diente das Konfigurationssystem IDAX [Ritz92]. Der Hauptgrund dafür besteht darin, daß IDAX die meisten der gestellten Anforderungen erfüllen konnte (vgl. 2.4.2) und daß zu Beginn der Untersuchungen an diesem Ansatz kein anderes System diese Eigenschaft besaß.

IDAX ist ein auf der Basis der REDUX-Ontologie von Petrie konzipiertes und implementiertes System zur Konfiguration technischer Systeme. Für diesen Zweck wurde in der Konzeption von IDAX ein REDUX-verträgliches Modell der Konfiguration entwickelt. Dies bedeutet im wesentlichen, daß die Konfiguration mit Hilfe von Zielen und Operatoren modelliert wurde. Es hat sich dabei gezeigt, daß diese anfangs etwas ungewohnte Sicht auf den Konfigurationsprozeß, durchaus sinnvoll ist und zusätzlich eine elegante Erweiterung des IDAX-Systems hinsichtlich der Anforderungen der Bilddeutung erlaubt (vgl. 2.4.2.1).

Hierzu muß gesagt werden, daß Problemlöser und TMS normalerweise zusammen gesehen werden, so daß der Begriff Problemlöser in der Erklärung der Architektur gar nicht erwähnt wurde. Hier werden sie, der Übersichtlichkeit halber, separat behandelt werden.

2.4.3.1.1 Konfigurationsprozeß

Der Konfigurationsprozeß läßt sich mit Zielen und Operatoren sehr allgemein beschreiben. Mit einem Startziel beginnend, werden Ziele mit Hilfe eines Operators in Unterziele verfeinert. Dieser Prozeß wird rekursiv über die Unterziele fortgesetzt. Der Prozeß endet bei den technischen Realisierungen, die Ziele sind, die nicht weiter zerlegt werden können. Sowohl die verschiedenen Ziele wie auch die Operatoren sind in IDAX in einer Klassenhierarchie organisiert. Auf ein bestimmtes Ziel sind nur Instanzen von einer einzigen oder von wenigen bestimmten Klassen von Operatoren anwendbar. Die Basissemantiken der Konfigurationsoperatoren (Spezialisieren, Zerlegen und Parametrieren [Günter91]) wurden in Cyclops/IDAX um die Semantiken "Anfrage an die Domänenwissensbasis stellen", "Erwartungsstruktur bzgl. des Bildauswertungsergebnisses generieren", "Teilkonfiguration ausführen" und "Erwartung auswerten" erweitert. Dies erlaubt eine bilddomänenunabhängige Beschreibung eines Bildauswertungsverlaufs. Eine detaillierte Beschreibung der Taxonomie der Ziele und Operatoren und deren Semantiken im ursprünglichen Modell des IDAX Systems sowie eine Beschreibung der neuen, in dieser Arbeit eingeführten neuen Ziel- und Operatorklassen und deren Semantiken werden in Kapitel 4 gegeben.

Die lokale Optimalität der Lösung wird durch die Verwaltung der Konfliktmenge gewährleistet. Zum Zeitpunkt einer Zielverfeinerung, wird die Konfliktmenge aller auf das Ziel anwendbarer Operatoren berechnet. Aus dieser Menge wird ein aktuell anzuwendender Operator, die Entscheidung, bestimmt und auf das Ziel angewendet. Eine Operatoranwendung führt zu neuen Unterzielen und Wertzuweisungen, die in der dynamischen Wissensbasis verwaltet werden. Die globale Optimalität der Lösung wird im IDAX-System nicht behandelt.

ABB.2.10. Auswahl und Anwendung eines geeigneten Operators
nach [Ritz92].


Die Systemarchitektur von IDAX ist in drei Schichten geteilt: die dynamische Wissensbasis, die Inferenzmaschine und das TMS.

ABB.2.11. Systemarchitektur von IDAX nach [Ritz92].
Das Konfigurationssystem IDAX kann als ein 
dreiteiliges Systemmodell betrachtet werden: 
die dynamische Wissensbasis, die die Assignments 
verwaltet, die Inferenzmaschine mit den      
Zielen und Operatoren und das TMS. 

2.4.3.1.2 Die Operatorauswahl

Bildverarbeitungsverfahren liefern bei gleichen Parametern nicht für alle Bilder gleich gute Ergebnisse. Abhängig vom Bildinhalt (Kopf, Mammographie) oder der Bildherkunft (NMR-Aufnahme, XRAY-Aufname) müssen andere Parameter benutzt werden. Deshalb mußte eine Möglichkeit gefunden werden, abhängig von globalen Attributen des Bildes die Parameter auszuwählen. Der Benutzer hat die Möglichkeit, dies in der statischen Wissensbasis zu modellieren.

2.4.3.1.3 Die Ausführung der Verfahren

Im Gegensatz zur "normalen" Konfiguration, in der ein Objekt nur zusammengesetzt wird, muß das Konfigurationsergebnis bei der Bildauswertung auch getestet werden. Das heißt, die konfigurierten Verfahren müssen ausgeführt werden. Hierfür wurde eine eigene Goal- und Operatorklasse (ExecutionGoal/-Operator) sowie eine neue Relation (#Execution) in der statischen Wissensbasis definiert. Das ExecutionGoal sammelt am Ende der Konfiguration/Teilkonfiguration alle Verfahren ein, und übergibt sie der Virtuellen Maschine zur Ausführung.

2.4.3.1.4 Die Erwartung

Die Ausführung der Verfahren nutzt uns recht wenig, wenn wir das Ergebnis nicht beurteilen können. Deshalb wird für jedes zu bearbeitende Bild mit Hilfe der Domänenwissensbasis eine Erwartung über den Bildinhalt erzeugt. Dazu wurde ebenfalls eine neue Goal- und Operatorklasse (ExpectationGoal/-Operator) und eine neue Relation (#Expectation) in der statischen Wissensbasis definiert. Desweiteren mußte eine Möglichkeit realisiert werden, die Ergebnisse mit der Erwartung zu vergleichen, und nötigenfalls Operatoren zurückzuziehen und durch bessere zu ersetzen.

2.4.3.1.5 Die Speicherung der Ergebnisse

Da Bildverarbeitungsverfahren sehr rechenintensiv sind, ist es empfehlenswert ihre Ergebnisse zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen. Dies wurde mit Hilfe eines TMS-Netzwerkes realisiert, da dieses die Abhängigkeiten der Verfahren am besten widerspiegeln kann.

2.4.3.1.6 Abhängigkeiten unter den Verfahren

Bei der Bildauswertung kann es erwünscht sein, daß beim Austausch eines Verfahrens andere Verfahren oder deren Parameter ebenfalls ausgetauscht werden. Dadurch soll erreicht werden, daß die Verfahren optimal aufeinander abgestimmt sind. Der Benutzer hat die Möglichkeit, solche Abhängigkeiten mit Hilfe von vier neuen Relationen (#ImplHasDependentImpl, #ImplHasDependentParameter, #ParameterHasDependentImpl, #ParameterHasDependentParameter) in der statischen Wissensbasis zu modellieren. Die neue Goal- und Operatorklasse DependenceGoal/-Operator erzeugt die entsprechenden Abhängigkeiten während der Konfiguration.

2.4.3.2 Die statische Wissensbasis

Die Statische Wissensbasis stellt eine Modellierung der im Pool vorhandenen Verfahren dar. Sie werden als Operatoren durch ihre Semantik, Parameter, gegenseitige Abhängigkeiten (d.h. Kompatibilität) und Form der Ein-Ausgabe repräsentiert und in dieser Form vom Konfigurierer verwendet.

ABB.2.12. Beispiel eines Teils der "abstrakten" Bilddeutungsoperatoren oder
Bilddeutungsschritte in der statischen Wissensbasis. Die abstrakten Schritte
werden durch den Teilbaum "Function" dargestellt und können auch Aggregate
sein. Neben dem Function-Teilbaum befindet sich noch der
"TechnischeRealisierungen"-Teilbaum, dessen Blätter die Bilddeutungsverfahren
darstellen.
ABB.2.13. Eine has-parts-Struktur in der statischen Wissensbasis.
Nur Unterklassen von Function können Aggregate sein.

2.4.3.3 Die Ablaufkontrolle

Die Ablaufkontrolle hat die Aufgabe, Aufträge in Form von einer Menge von zur Ausführung bereiten Verfahren entgegenzunehmen, in der richtigen Weise auszuführen und deren Ergebnis zurückzuliefern.Von außen bildet das Ablaufkontrollsystem eine virtuelle Maschine - die Befehle dieser Maschine werden durch die einzelnen Verfahren und das Programm durch den Auftrag gebildet. In Form des Auftrags gestattet die virtuelle Maschine so eine abstraktere Sicht auf den Verarbeitungsablauf. Das Ablaufkontrollsystem soll daher eine einheitliche Schnittstelle zum Aufruf der Verfahren bereitstellen ( siehe Abb. 2.14 ).

Ziele des Ablaufkontrollsystems sind:

  1. Bildung einer homogenen Schnittstelle für Bilddeutungsverfahrensaufrufe
  2. Zusammenfassen mehrerer Verfahren zu Aufträgen
  3. Auflösung von Ein/Ausgabeabhängigkeiten
  4. Verfahrensablauf mit mehreren Datensätzen
  5. Weitergabe und Verwaltung von Zwischenergebnissen
ABB.2.14. Die Ablaufkontrolle verleiht eine abstrakte Sicht
der tatsächlichen Bilddeutungsverfahren und der Rechner,
auf denen sie Laufen.

Das Program wird interpretiert, indem die Befehle in der Reihenfolge ausgeführt werden, die durch den Datenfluß der Verfahrensein- und Ausgaben gegeben ist. Zur Beschreibung eines Auftrags an das Ablaufkontrollsystem wurde das Modell eines Datenflußgraphen verwendet und an erweiterte Anforderungen angepaßt. Die Ausführung eines Befehls entspricht dem Aufruf des zugehörigen Bilddeutungsverfahrens mit den durch die Konfiguration gefundenen Parametern sowie den Eingaben, die ein Ergebnis vorheriger Verfahrensaufrufe sind ( siehe Abb. 2.15 ). Die Eingaben und Ergebnisse des Auswertungsvorgangs eines Bildes werden in einem Hypermedia-Netz abgespeichert. Dieses wird von dem dynamischen Bildspeicher [Qaqish94] verwaltet und ermöglicht dem Benutzer eine komfortable Möglichkeit die Ergebnisse des Auswertungsprozeß zu betrachten. Der Erfolg der Ausführung eines Verfahrens wird durch die Generierung von Erwartungen (expectation generation) und deren Eintreffen (expectation matching) erkannt.

Bei der Verarbeitung eines Bildes kommt es häufig vor, daß ein Verfahren mit gleichen Parametern auf mehrere Eingabedatensätze angewendet werden soll. Um den Konfigurationsaufwand kleiner zu halten sollte das Verfahren jedoch nur einmal konfiguriert werden. Daher erlaubt es das Ablaufkontrollsystem, mittels eines Eintrags in die Auftragsliste ein Verfahren auf mehrere Datensätze anzuwenden.

ABB.2.15. Einfaches Beispiel einer Auftragsstruktur in der Ablaufkontrolle

Spezielle Erweiterungen wurden in das Datenflußmodel eingeführt, um Verfahren mit "multiple Output” und Verfahren mit variabler Parameteranzahl zu ermöglichen. Bei einem Auftrag an das Ablaufkontrollsystem soll daher darstellbar sein, daß ein Verfahren die Eigenschaft multiple output hat, daß es also eine im voraus noch nicht bekannte Zahl von Ergebnissen liefert, die von den folgenden Verfahren einzeln weiterverarbeitet werden.

2.4.3.4 Die Domänenwissensbasis

Das Modul zur Erstellung und Verwaltung von Domänenwissensbasen ist durch das speziell dafür Entwickelte NeuralTaxon-System dargestellt.

NeuralTaxon [GreVW95] [Gresse94] ist ein domänenunabhängiges System, das hierarchisches Wissen über Konzepte und ihre Attribute durch ein konnektionistisches Netzwerk darstellt. Das System unterstützt die Erstellung einer Wissensbasis, die insbesondere auch unvollständiges Wissen beinhalten kann. Das Wissen wird basierend auf den Häufigkeiten bzgl. des Auftretens der Objekte in der modellierten Welt inferiert. Die Konzepte werden durch Cluster, Layer bestehend aus mehreren Neuronen, repräsentiert. Diese Cluster interagieren miteinander durch die Propagierung von Aktivität über gewichtete Verbindungen. Zur Darstellung der Relationen zwischen zwei Konzepten, in einem semantischen Netz durch Kanten repräsentiert, wurden folgende Prinzipien entwickelt:

Objekt-Attribut-Werte-Tripel können dargestellt werden.

Als eine Spezialisierung dieser Relationen wurden zur Behandlung der is-a/has-parts Beziehungen besondere Aktivitätspropagierungsmechanismen entwickelt [Thiel94].

In dieser Arbeit wurde der Schwerpunkt auf zwei wesentliche Inferenzmechanismen, Inheritance- und Recognition-Anfragen gelegt. Inheritance ist eine Form des Schlußfolgerns, bei der Ausprägungen eines Attributes eines Konzeptes inferiert werden. Bei der Recognition-Anfrage, wird ein Konzept gesucht, das einer Menge von Attribut-Werte-Paaren am besten entspricht. Die Ausbreitung der Aktivität wird bei einer Anfrage mittels Routinen angestoßen. Der Inferenzmechanismus ist implizit durch die Vernetzung der Neuronen dargestellt und das Ergebnis der Anfrage wird durch das Aktivitätspotential der relevanten Neuronen nach einer vorgegebenen Zeitspanne wiedergespiegelt. Ein wesentlicher Vorteil dieses Systems besteht darin, das die statistischen Häufigkeiten der Konzepte bzgl. der Attribute durch das System ausgedrückt werden können. Dadurch erlangt das System auch in Situationen, in denen nur unvollständige Informationen gegeben sind, Entscheidungen zu treffen, indem nicht die vollständige Evidenz für eine Entscheidung gefordert wird, sondern die am meisten wahrscheinlichste Hypothese ausgewählt wird. Der Wert der relativen Häufigkeit, mit der die Konzepte mehrere unabhängige Attribut-Werte-Paare aufweisen, wird mit Hilfe der Bayes'schen Regel berechnet.

Der Ansatz ermöglicht es, ist aufgrund der hierarchischen Struktur der Konzepte, Features von Oberklassen zu vererben. Andererseits wird auch die Behandlung von Ausnahmen gewährleistet, indem vererbte Information nur dann berücksichtigt wird, wenn diese nicht durch eine spezifischere, d.h. bzgl. der hierarchischen Struktur lokalere, Information des Konzeptes überschrieben wird. Das System basiert auf dem Ansatz von L. Shastri [Shast88], der die Realisierung eines solchen Systems in seinen Grundzügen beschreibt. Dieses wurde in einigen Punkten modifiziert und insbesondere um die Implementierung eines Werkzeugs zur automatischen Generierung eines neuronalen Netzes aus der Beschreibung eines semantischen Netzes ergänzt.

2.4.3.4.1 Aufbau der Prototypanwendung: Modellierung des medizinischen Vorgehens und eines anatomisch-funktionellen und pathologischen Hirnatlanten

Der Inhalt der Domänenwissensbasis der neuroradiologischen Prototypanwendung des Cyclops-Systems besteht aus Wissen über die Anatomie, Funktionalität und Pathologie des menschlichen Hirnes und Charakteristika von NMR-Tomographien. Das Modell der Wissensbasis umfaßt die Repräsentation des Wissens und der benötigten Inferenzmechanismen., die angelehnt an die Strukturierungs- und Schlußfolgerungsform von Medizinern sind. In der Implementierung wurden diese Strukturen durch neuronale Netze realisiert. Das System stellt weiterhin eine Benutzerschnittstelle zur Verfügung. Diese enthält ein Werkzeug zur Eingabe neuen bzw. zusätzlichen Wissens durch den Benutzer. Das in der Wissensbasis enthaltene Wissen kann durch weitere Werkzeuge sowohl graphisch als auch tabellarisch anzeigt werden.

Das Domänenwissen wird in der Cyclops-Prototypanwendung dazu verwendet, Hypothesen über die erwartete Pathologie und den voraussichtlich erkrankten Anatomieteil zu generieren. Dazu werden die vorliegenden Patientendaten, die die aufgetretenen Symptome, das Alter und das Geschlecht des Patienten enthalten, verwendet, um eine Annahme über die gestörte Funktion des Gehirnes, als auch die erwartete Pathologie zu treffen.

Die Informationen über die gestörte Funktion und die erwartete Pathologie werden dazu verwendet, um Schlußfolgerungen über die Lage der Erkrankung zu ziehen. Aufgrund dieser Annahmen wird dann eine Reihe von Schnittbildern ausgewählt, in denen zum einen das mutmaßlich erkrankte Hirnareal enthalten ist, und zum anderen die erwartete Pathologie deutlich erkennbar sein wird. Die so ermittelte Hypothese wird dann an die Bildauswertungskomponente zurückgegeben. Jede Hypothese enthält außerdem einen Parameter (acceptance factor), der den Grad des Vertrauens, oder Glaubens an diese Hypothese ausdrückt.

Mittels der Domänenwissensbasis wird eine hierarchische Struktur erzeugt, die während des Bildauswertungsprozesses verwaltet wird. Diese Struktur stellt eine Kopie der relevanten Einträge der Domänenwissensbasis bzgl. der ausgewählten Hypothese dar. Während des Bildauswertungsprozesses wird die NMR-Tomographieaufnahme segmentiert und die einzelnen Segmente werden mittels neuronaler Netze identifiziert. Anschließend wird, gesteuert durch das Hintergrundswissen, nur dasjenige Anatomieareal rekursiv weiter segmentiert, das den vermutlich erkrankten Anatomieteil als strukturellen Bestandteil enthält. Die übrigen Segmente werden bei der weiteren Verarbeitung nicht berücksichtigt.

2.4.3.5 Die Erwartungsauswertung

Das bzw. ein Erwartungsauswertungsmodul wird aufgerufen, wenn Ergebnisse einer Bilddeutungsoperation vorliegen und überprüft werden müssen. Geeignete Zeitpunkte dafür müssen in der statischen Wissensbasis modelliert sein. Der Aufruf des geeigneten Erwartungsauswertungsmoduls erfolgt durch die Reduzierung des entsprechenden Ziels im Konfigurationssystem. Ein Erwartungsauswertungs-modul in Cyclops hat die Aufgabe, ein matching zwischen erwarteten und tatsächlichen Ergebnissen eines Bilddeutungsoperators durchzuführen.

Wie schon erwähnt wurde, ist die genaue Form der Erwartungsauswertung domänenabhängig. Aufgrund dessen werden hier nur sehr allgemeine Aspekte der Auswertung von Erwartungen besprochen. Anschließend wird ein kurzes Beispiel aus dem neuroradiologischen Bereich der Prototypanwendung zur Verdeutlichung dieser allgemeinen Betrachtungen präsentiert.

Erwartungen erlauben :

Zwei unterschiedliche Situationen können dabei auftreten:

Das gesuchte Objekt wurde im Bild nicht gefunden, der Bildkontext ist aber konsistent mit der restlichen Erwartung: Hypothese wird zurückgezogen

Beispiel: Eine Bildbeschreibung (Hirnareale des rechten Vorderlappens) ist konsistent mit Erwartung aus der Domänenwissensbasis, die gesuchte Pathologie (Astrozytom) wurde aber nicht entdeckt. Die Schlussfolgerung: die Hypothese "Astrozytom im rechten Vorderlappen" wird zurückgezogen.

Die Erzeugte Bildbeschreibung ist inkonsistent mit der Erwartungsstruktur: Schuldige Bildoperationen werden mit der Begründung "ungültige Ergebnisse" zurückgezogen. Begründung und Abhängigkeiten des Rückzugs werden im TMS abgelegt.

Beispiel: Wichtige Hirnareale, die in dem untersuchten schnitt immer vorhanden sind, sind in der Bildbeschreibung nicht enthalten. Aufgrund Entscheidungsabhangigkeiten im TMS, werden Segmentierungsparameter für schuldig befunden. Eine neue Segmentierung mit der nächsten Parameterauswahl aus der Konfliktmenge des schuldigen Operators wird durchgeführt.

2.4.3.5.1 Die Erwartungsauswertung in der neuroradiologischen Anwendungsdomäne

Eine der größten Fehlerquellen in der Domäne der neuroradiologischen Prototypanwendung ist die Korrektheit der mit einem region-growing-Segmentierungsverfahren erreichten Segmentierungen. Dafür wurde die Lösungsstrategie als eine rekurisve Folge von immer feiner werdenden Segmentierungen modelliert. Dementsprechend ist die Erwartungsstruktur ein Baum. Jedes der Knoten des Baumes enthält eine Menge Informationen, die dem Verfahren zur Objekterkennung als Parameter dienen und die auch für die Überprüfung der Ergebnisse verwendet werden. Die Wurzel des Baumes wird durch das Originalbild dargestellt. Die Bearbeitung erfolgt ebenenweise. Das Segment, das im Erwartungsbaum Kinder besitzt, wird als region-of-interest für den nächsten Segmentierungsgang betrachtet.

ABB.2.16. Erwartungsbaum: rekursive Erwartungsstruktur in der neuroradiologischen Domäne.

Die hier verfolgte Lösung war es, Übersegmentierungen durch eine geeignete Parametermodellierung zuzulassen und das Zusammenfügen dieser zu dem erwünschten "korrekten" Segment als ein relaxiertes Consistent Labelling Problem (CLP) zu betrachten. Somit ist das Erwartungsauswertungssystem in diesem Fall ein domänenspezifisches CLP-Verfahren. Die einzelnen Elemente aus der Übersegmentierung werden anhand ihrer Merkmale mit speziellen Objekterkennungsverfahren klassifiziert. Diese gelabelten Segmente werden von dem speziell dafür entwickelten CLP-Verfahren [Henn95] zu einer Struktur, die der der Erwartung entspricht, zusammengefügt.Dabei können auch einige Segmente das Label wechseln. Übersteigt der Fehler während des Zusammenfügens eine bestimmte Schwelle, werden die Ergebnisse als unbrauchbar zurückgewiesen. Erwartete pathologische Merkmalebilden optionale Labels und müssen dabei nicht unbedingt gefunden werden.

ABB.2.17. Zwei mögliche Phasen in der Rekonstruktion eines übersegmentierten Bildes.
ABB.2.18. Segmente, die Großhirnbestandteile aus Teilbild b von Abbildung 2.17 sind.

2.4.4 Allgemeiner Ablauf der Deutung eines Bildes in Cyclops

Um das Verständnis der im Kapitel 3 beschriebenen Modellierungen von Prototypanwendungen unter Cyclops zu verdeutlichen, möchten wir hier die in Abschnitt 2.4.2 und Abschnitt 2.4.3 angesprochenen Mechanismen zur Konfiguration und Kontrolle der Bilddeutung nochmal zusammenfassen. Hierfür ist eine Klassifikation der Konfigurationsaufgaben in Bezug auf die Natur der konfigurierten Objekte in drei Klassen hilfreich. Diese Klassifikation möchten wir zunächst einführen:

Die Konfigurationsaufgaben, die Cyclops löst, gehören im Prinzip zur simulations- und testorientierten Konfiguration. Die Bilddeutung in Cyclops läuft nach einem allgemeinen Schema von Aktionen: Hypothese erzeugen, Erwartung erzeugen, Bilddeutung konfigurieren, Bilddeutung ausführen und Erwartung überprüfen. Diese Struktur läßt sich am besten durch das in Abbildung 2.19 dargestellte Flußdiagramm zeigen. Die Mechanismen, die diesen Ablauf steuern, wurden bereits in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt, in denen die verschiedenen Komponenten des Cyclops-Systems eingeführt wurden. Ein etwas konkreteres Beispiel in einer Anwendungsdomäne möchten wir im Abschnitt 2.4.4.1 beschreiben.

ABB.2.19. Allgemeiner Ablauf einer Bilddeutung in Cyclops

Eine Untersuchung beginnt mit der Erzeugung von Inhaltshypothesen bzgl. einer Menge von Bildern und weiterer Kontextinformation. Mit jeder aufgestellten Hypothese ist ein Bild verbunden, welches relevant für die Überprüfung der Hypothese ist. Die Erzeugung von Hypothesen wird in Abschnitt 8.3 auf Seite 253 im Cyclops-Buch in Einzelheiten beschrieben. Für das Paar <Hypothese, Bild> wird anschließend eine Erwartungsstruktur bzgl. der im Bild enthaltenen Objekte erzeugt. Diese kann aus verschiedenen Abstraktionsebenen bestehen, die nacheinander überprüft werden.

Nachdem eine Erwartungsstruktur für das zu deutende Bild generiert wurde, wird der Prozeß der Deutung des Bildes konfiguriert. Der Benutzer hat die Möglichkeit, in der Modellierung von den Konfigurationsobjekten, zu bestimmen (s. Abschnitt 6.2), welche abstrakte Objekte ausgeführt werden sollen. Der Konfigurationsprozeß wird durchgeführt, bis ein "ausführbares" abstraktes Objekt vollständig ist (s. Abschnitt 4.2 auf Seite 134 im Cyclops-Buch). Diese Modellierungsweise erlaubt es, schrittweise Teilkonfigurationen auszuführen und somit Ergebnisse aus der Ausführung einiger Bilddeutungsverfahren für die weitere Konfiguration zu verwenden (s. Abschnitt 3.2 auf Seite 93), um z.B. die Parameter von noch zu konfigurierenden Schritten bzw. Verfahren genauer bestimmen zu können. Genau wie bei der Ausführung von Teilkonfigurationen, kann in der Modellierung der Bilddeutungsverfahren auch der Zeitpunkt bestimmt werden, zu dem eine Erwartungsauswertung stattfindet (s. Abschnitte 4.2/6.2). Die Verfahren, die für die Auswertung von Erwartungen notwendig sind, werden genau wie "normale" Bilddeutungsverfahren konfiguriert. Die zu überprüfende Erwartung ist die erste noch nicht ausgewertete Ebene in dem Erwartungsbaum (s. Kapitel 8/9). Wurde die Erwartung nicht erfüllt, können unter Verwendung des REDUX-TMS-Systems (s. Kapitel 5) automatisch "schuldige" Verfahren oder Parameter bestimmt werden, die durch andere aus der entsprechenden Konfliktmenge (s. Kapitel 4) ersetzt werden.

Sobald eine Hypothese bestätigt werden konnte, wird der Untersuchungsablauf unterbrochen.

2.4.4.1 Ein Ablaufbeispiel für eine neuroradiologische Domäne

In diesem Abschnitt wird etwas konkreter der Konfigurationsablauf in Cyclops anhand eines Anwendungsbeispiels beschrieben. Dadurch erhält der Leser einen ersten Überblick, um das Verständnis der nachfolgenden Kapitel zu erleichtern. Als Orientierung für die Ablaufbeschreibung dient das bereits in Abbildung 2.19 präsentierte Flußdiagramm, welches den allgemeinen Informations- und Entscheidungsfluß in Cyclops darstellt.

Nehmen wir die Auswertung von Kopf-MR-Tomographien als Beispiel für die Beschreibung eines Ablaufs. Wurde durch den Benutzer die zu untersuchende Schnittserie ausgewählt, so werden die möglichen Hypothesen für die zu erwartenden Pathologien erzeugt (s. Abschnitt 8.3 ). Jeder Hypothese wird ein Bild aus der Schnittserie zugeordnet, welches als Startbild bei der Konfiguration dient. Konnte keine Hypothese bestätigt werden, so wird die Konfiguration beendet. In diesem Fall konnte das System keine pathologische Veränderung auf den Bildern erkennen.

Nachdem eine Hypothese ausgewählt wurde, wird überprüft, ob noch nicht untersuchte Bilder existieren, die mit dieser Hypothese verbunden sind. Zu Beginn ist dies immer das Startbild. Später sind dies Segmentbilder, die aus der Untersuchung eines Bildes resultieren. Ist kein Bild mehr vorhanden, so gilt die Hypothese als nicht bestätigt und es wird eine andere untersucht. Für das ausgewählte Bild wird von der Domänenwissensbasis eine Erwartung über den Bildinhalt erzeugt. Diese enthält eine symbolische Beschreibung dessen, was in diesem Bild erkannt werden muß (obligatorische Teile) und was erkannt werden kann (optionale Teile). Die obligatorischen Teile repräsentieren in der Regel anatomische Strukturen, die optionalen Teile die Pathologien. Diese Information wird bei der Auswahl von neuronalen Netze zur Klassifikation der Segmente eines Bildes benötigt (s. Abschnitt 3.3). Abhängig von der Erwartung müssen neuronale Netze ausgewählt werden, die die erwarteten Teile auch klassifizieren können. Ist eine Erwartung leer, so bedeutet dies, daß das zugehörige Bild nicht untersucht werden muß, da es für die Bestätigung der Hypothese irrelevant ist.

Als nächstes werden die Bildverarbeitungsverfahren und ihre Parameter für dieses Bild schrittweise konfiguriert. Die Inferenzmaschine entscheidet anhand von globalen und lokalen Attributen (Attribute von Verfahren und Bildbegleitparameter), welche Verfahren und Parameter für dieses Bild am besten geeignet sind. Die fertige Konfiguration ist in diesem Ansatz aber kein statisches Gebilde mehr wie ein Bauteil oder eine Maschine. Anders als bei üblichen Konfigurationsaufgaben handelt es sich um Prozesse, die ausgeführt werden müssen.

Dies ist eine andere Aufgabenstellung als bei der statischen oder der simulationsorientierten Konfiguration: der bisherige Ablauf entspricht der Überlegung bei einer herkömmlichen Konfiguration, aber es werden zusätzliche Anforderungen gestellt, die in Kapitel 4 in Einzelheiten erläutert werden. Das wesentliche dafür liegt darin, daß die Spezifikation des zu konfigurierenden Objektes (das hier ein komplexer Prozeß ist), nicht einfach durch modellierbare Constraints gegeben wird, sondern daß die Spezifikation in Anforderungen an diesen Prozeß resultiert. Die Konfiguration wird daher der virtuellen Maschine übergeben, die die einzelnen Prozesse ausführt und die Ergebnisse an die Inferenzmaschine zurückliefert.

In dem Prozeß der Ausführung einer konfigurierten Bilddeutungssequenz spielt nun die Erwartung eine entscheidende Rolle. Aufgrund der Fehleranfälligkeit (s. P. 6 ) verlieren die Ergebnisse ihre Aussagekraft, wenn kein Bezugsobjekt existiert, mit dem diese Ergebnisse verglichen werden können. Dieses Bezugsobjekt wird durch die Erwartung geliefert, die mit Hilfe von Expertenwissen, das in der Domänenwissensbasis abgelegt ist (s. Kapitel 8), erstellt wurde. Im nächsten Schritt werden nun Ergebnis und Erwartung miteinander verglichen (s. Kapitel 9). Wurde die Erwartung nicht erfüllt, so wird aufgrund der im TMS repräsentierten Abhängigkeiten ein Verfahren oder Parameter ausgetauscht und anschließend die veränderte Konfiguration erneut ausgeführt (s. Abschnitt 5.2). Wurde die Erwartung erfüllt, so wird getestet, ob auch die Hypothese bestätigt werden konnte. Ist dies der Fall, so wird die Konfiguration erfolgreich beendet. Ansonsten wird eine andere Hypothese ausgewählt und der gesamte Ablauf wiederholt.


Diese Beschreibung entspricht dem Kapitel 2 vom Cyclops-Buch "Wissensbasierte Analyse Medizinischer Bilder", ab Januar 1997 im INFIX-Verlag erhältlich.