Geleitwort des Doktorvaters

Bildverarbeitungsalgorithmen sind mathematische Methoden, die ein Bild (d. h. eine Matrix von reellen Zahlen) in ein anderes überfuhren oder einem Bild einen oder mehrere numerische Werte zuordnen. Derartige Methoden sind in gewissem Sinne ,bedeutungslos", da sie keine inhaltliche Bedeutung mit einem Bild assoziieren. Ist jedoch ein Bild nur ein Element in einem komplexeren Vorgang, z. B. einem Diagnoseprozeß, dann hat eine Deutung des Bildes zu erfolgen und zwar nicht (nur) von einem menschlichen Interpreter sondern auch von einem bergeordneten automatisierten System. Eine derartige Bilddeutung ist eine semantische Funktion und sie bedarf der Festlegung der möglichen Modelle, in denen die Bedeutung bestimmt wird. Die Bedeutung des Bildes wird dann (mittels Hintergrundswissens) aus den Bedeutungen von Bildteilen zusammengesetzt.

Die vorliegende Arbeit entwickelt in CYCLOPS einen Ansatz, der sowohl eine grundsätzliche Modellierung der Semantikfunktion wie auch einen Vorschlag für ein konkretes System zur Bilddeutung vorstellt. Es ist charakteristisch für CYCLOPS und eigentlich alle anderen vergleichbaren Ansätze, da§ sie sowohl subsymbolische wie auch symbolische Verfahren beinhalten, die sich wechselseitig aufrufen und unterstützen. Dabei entsprechen die subsymbolischen Methoden den bedeutungslosen Bildverarbeitungsverfahren, während die symbolischen Vorgehensweisen an der Modelldefinition orientiert sind. Die Verbindung zwischen den zwei Ebenen wird dadurch gegeben, da§ auf der symbolischen Ebene Bedingungen formuliert werden können, die durch subsymbolische Verfahren (z. B. eine geeignete Segmentierung) bestätigt oder zurückgewiesen werden können. Ein wichtiges Bindeglied wird durch das Werkzeug Neuraltaxon geliefert, da§ (fußend auf den Arbeiten von Shastri) neuronale semantische Netze zur Wissensrepräsentation verwendet.

Der allgemeine Lösungsansatz realisiert das Alternieren von subsymbolischen und symbolischen Prozessen. Dies findet auf verschiedenen Abstraktionsebenen statt und wird in seinem Kern durch ein ,Ideales Bilddeutungssystem" in einfacher Weise beschrieben. Der CYCLOPS-Ansatz stellt nun das Bilddeutungsproblem als ein erweitertes Constraint Satisfaction Problem (CSP) dar und erlaubt damit grundsätzlich die Auffassung, da§ die Erzeugung der Bilddeutung eine Konfigurationsaufgabe ist. Dieser Aufgabe steht zweierlei Wissen zur Verfügung, nämlich einmal Wissen über die Zusammenhänge des Bereiches in dem die Bilddeutung stattfindet und zum andern Wissen über Verfahren (vor allem subsymbolische Verfahren), die in dem Deutungsprozeß eingesetzt werden können. Der wesentliche Unterschied zu herkömmlichen Konfigurationsverfahren besteht darin, da§ üblicherweise nur die Spezifikationen zu erfüllen sind, während man hier einer zu beschreibenden Realität auf der Spur ist, für die man gewisse hypothetische Erwartungen generieren kann, die dann unter Umständen verworfen werden müssen. Die Ursache für das Verwerfen einer Hypothese stellt aber abstrakt gesehen auch nur eine Constraintverletzung dar, weshalb der Konfigurationsprozeß nach außen hin weitgehend unverändert weiterlaufen kann. Bei der Realisierung greift der Verfasser auf das in Kaiserslautern entwickelte IDAX-System zurück.

Es ist aber zu beachten, da§ ein Prozeß erzeugt wird, was zur Folge hat, daß die Korrektheit des Ergebnisses nicht einfach durch ein überprüfen von Constraints geschehen kann, sondern da§ diese Ergebnisse erst nach einer Ausführung (d. h. nach einer Simulation) beurteilt werden können. Als Anwendungsbereich dienen medizinische Fragestellungen (Mammatomographie, Kernspinaufnahmen des menschlichen Gehirns).

Ich sehe den Wert der vorliegenden Arbeit vor allem darin, da§ ein sehr umfassender Ansatz zum Bildverstehen in seinen Details konzipiert und realisiert wurde. Damit trägt diese Arbeit nicht nur zum Verständnis der Problematik bei, sondern erlaubt auch die Integration weiterer Techniken für erweiterte oder ähnlich gelagerte Fragestellungen.

Prof. Dr. M.M.Richter

Kaiserslautern, Oktober 1996