Einführung

Motivation

Immer komplexere Anforderungen werden an moderne Bilderkennungssysteme gestellt. Dies zeigt sich unter Anderem deutlich im medizinischen Bereich, in dem Bilder unterschiedlichen Typs und Verrauschungsgrades und mit unterschiedlichen Inhalten ausgewertet werden müssen. Charakteristisch für den Prozeß der Erkennung eines Bildes ist, daß er aus einer Zusammensetzung von unterschiedlichen Verfahren besteht, die Filterungsverfahren, Kanten, Textur- und Regionenerkennungsverfahren und Objekterkennungs- und Objektklassifikationsverfahren sein können. Moderne Bilddeutungssoftware-Pakete bzw. -Systeme existieren schon, wie z.B. Khoros [Khoros93], HORUS [Horus], MegaWave [From90], Vista [Pope94] oder HELIOS-IRS [Engel95]. Diese bieten eine große Auswahl an einzelnen Verfahren zur Verarbeitung von Bildern und teilweise auch eine Umgebung zur Erstellung und Test von Anwendungen. Einige dieser Systeme, wie HELIOS-IRS, sind an bestimmte Anwendungsgebiete angepaßt und in einem größeren Kontext eingebettet [Engel94], andere sind auf allgemeine Bilddeutungsaufgaben ausgerichtet.

Ein bisher ungelöstes Problem ist die Erstellung von einem flexiblen Modell für die automatisierte Auswahl, Parametrierung und Koordination der für die Deutung eines bestimmten Bildes benötigten Bilddeutungsverfahren. Die bisher existierenden Bildauswertungssoftwarepakete oder -systeme bieten in der Regel verschiedene Möglichkeiten zur Durchführung jeder der benötigten Erkennungsschritte. Diese können aus Bibliotheken von Verfahren, Werkzeuge zur manuellen Verknüpfung von Verfahren und interaktive Schnittstellen zur Parametrierung von Verfahren bestehen. Da diese Pakete aber reine Softwaresammlungen sind, fehlt es ihnen an automatisierten Parametrierungs- und Auswahlkomponenten.

Der aktuelle Stand der Technik im Bereich der Bilddeutung erlaubt es nicht, zuverlässig ein Verfahren oder eine Zusammensetzung von mehreren Verfahren mit einer festen Parameterereinstellung allgemein an eine breite Klasse von Bildern mit komplexeren Inhalten erfolgreich anzuwenden. Deshalb müssen diese Auswahl- und Parametrierungskriterien an die einzelnen Bildern angepaßt werden, so daß die Erzeugung eines flexiblen Systems, das wissensbasiert einen Bilddeutungsablauf zusammenstellt und koordiniert, sich als notwendig zeigt. Dieses System sollte auf marktüblicher Bilddeutungssoftware zugreifen können, um das breitstmöglichste Anwendungsspektrum zu sichern. Außerdem werden ständig neue und verbesserte Bild-deutungsverfahren entwickelt, deren Integration ein solches System unterstützen sollte.

Ziele

In dieser Arbeit werden die Konzeption und prototypische Implementierung eines Labors für automatische Bilddeutung durchgeführt. Dieses System wird die Aufgaben der automatisierten wissensbasierten Erkennung von Bildern bzw. Objekten in Bildern und der Bildarchivierung durchführen. Die Realisierung dieses Bilddeutungslabors wird durch die Integration von Techniken aus den Bereichen a) der Planungs- und Konfigurationssystemen, b) der neuronalen Netzwerken, c) der Bildverarbeitung bzw. -deutung und d) der Hypermedia-Systemen erfolgen. Eine prototypische Anwendung des Systems wird die Verarbeitung von MRI-Tomographieaufnahmen in zwei ausgewählten medizinischen Anwendungsbereichen sein. Als Benutzerschnittstelle und Bildarchivierungswerkzeug wird ein Hypermedia-System verwendet. Ergebnisse dieser Arbeit sind:

  1. Die Erstellung eines Systemmodells für die wissensbasierte Bilddeutung: eine Abstrakte Bilddeutungsmaschine, die fortan auch das Cyclops-Modell genannt werden wird,
  2. ein Prototyp eines Softwarewerkzeugs zur Erstellung von flexiblen wissensbasierten Bildanalysesystemen, das Cyclops-System und
  3. eine auf das Cyclops-System aufbauende Prototypanwendung im Bereich der Radiodiagnostik: Die Auswertung von pathologischen Merkmalen enthaltenden MRI-Tomographieaufnahmen des menschlichen Hirns und MRI-Mammographien. Diese Anwendung befindet sich zur Zeit in der Implementierung.

Durch diesen Ansatz, bestehend aus dem Cyclops-Modell und dem Cyclops-System, den wir zusammenfassend den Cyclops-Ansatz nennen, werden die Ergebnisse aus den o.g. vier Schwerpunkten der Informatikforschung integriert. Die Integration dieser Techniken stellt die Schlüsseltechnologie für zukünftige komplexe Bilddeutungssysteme dar. Die Forschung im Rahmen dieser Arbeit hat sich an diesem konkreten Anwendungsbedarf orientiert.